Teil 6
Von nun an geht´s bergab?
Montag, der 27. Mai 2024
Nun hab ich´s auch mal versucht. Mit einer reißerischen Überschrift geht´s jetzt auf Menschenfang, denn...
Garnichts geht bergab. Lediglich gefühlt auf der Landkarte. Denn südwärts ist ja schließlich runterwärts. Oder seht Ihr das anders? Dass das Nordkap unser nördlichster, auf der Straße erreichbarer Punkt war, dürfte nicht angezweifelt werden. Weiter ginge es nur mit Schiff oder Flugzeug.
Den Weg ab jetzt als Rückweg zu bezeichnen, dagegen wehren wir uns mit Vehemenz.
Landschaftlich gesehen liegen die Highlights ja eigentlich noch vor uns.
Die Atlantikküste, die Vesterålen und die Lofoten sind alle samt Traumziele vieler Nordlandfreunde. Vielleicht sind diese Orte in den letzten Jahren auch etwas zu populär geworden, denn in der Hauptreisezeit kann die Touridichte dort auch leicht nervig sein.
Trotzdem nie vergessen: Wir sind selbst Touris. Das ändert auch unser, mit der norwegischen Flagge verziertes Nummernschild nicht. Unser Vorteil als Ruheständler: Wir können unsere Reisezeit außerhalb der "Großen Welle" legen.
Sicher ist es verlockend, die Sommersonnenwende auf den Lofoten zu verbringen. Leider wollen das viele.
Mitte dieses Jahres hat die norwegische Fremdenverkehrsbehörde eine eigentlich schon fertige Werbekampagne gestoppt, die noch mehr Tourismus ins Land bringen sollte. Der Grund: Die Norweger haben bei allem Kommerz auch immer ihre, Gott sei Dank, noch weitestgehend unberührte Natur im Blickfeld. Und Geld braucht das, durch andere Dinge solide finanzierte Land nur bedingt.
Wir sind auch ohne Werbekanpagne gekommen und wollen uns damit einen lange gehegten Reisetraum erfüllen. Am besten nicht in der Saison und am besten nicht über die ausgetretenen Touristenpfade.
Aber noch sind wir nicht ganz da.
Unsere Fahrt geht durch die fast baumlose, norwegische Tundra mit viel restlichem Schnee des immer noch nicht ganz vergangenen Winters. Die weiten Ausblicke verleihen der Landschaft eine gewisse Unendlichkeit. Die Hochebenen, die ihren Namen eigentlich schon kaum noch verdient haben, sind keine Tausender, sondern oft nur noch Höhen um die 500 Meter. Mystisches Wetter tut das Seine. Einsamkeit. Keine Menschenseele und schon gar keine größeren Ortschaften, stören das Bild des Abenteurers. Seit wir das Nordkap verlassen haben, ist uns kein grünes Fleckchen begegnet. Nur niedriges Buschwerk, welches auf die wenigen Wochen wartet, in denen die Natur hier, trotz alles Widernisse explodieren wird. In Gebieten wie hier liegt übers Jahr gesehen, nicht selten an 300 Tage Schnee. Der Boden ist lange Zeit bis in tiefere Schichten gefroren und taut auch über die Sommermonate meist nur an der Oberfläche auf. In Norwegen ist der Untergrund jedoch meist felsig und bleibt dadurch naturgemäß hart. In kontinentaleren Gebieten der Tundra rund um unseren Globus, sind im Winter durchaus Temperaturen von minus 50 Grad möglich. Norwegens Besonderheit, zumindest in Küstennähe, in der wir uns hier befinden, ist die Nähe zum Golfstrom. In dieser Region wird es im Winter kaum kälter als minus 8 Grad. Dagegen bringt der Sommer selten mehr als 12 Grad. So gesehen erleben wir schon wieder eine "Luxusveranstaltung", denn wir haben diese 12 Grad. Und der Sommer hat noch gar nicht so richtig begonnen.
Von der Tierwelt bekommen wir, außer immer wieder kleiner Herden von Rentieren leider nichts zu sehen. Dazu sind wir sicher auch zu schnell und zu laut unterwegs. Polarfüchse und Schneehasen, wie auch der seltene Vielfraß wären hier anzutreffen, wenn, ja wenn man sich mehr Zeit zu deren Entdeckung nehmen würde.
Je weiter wir südwärts vorankommen, umso öfter begegnen wir moorigen Gebieten mit weiten Flächen voller Wollgras. Diese Pflanze wächst ausschließlich auf sehr sauren Böden, wie sie hier vielerorts zu finden sind. Ihre weißen Puschel haben etwas Märchenhaftes. Ich kann sagen, dass Wollgras sowohl Connys als auch meine "Lieblingsblume" des Nordens ist. So ziert auch bis nach Hause ein kleiner Strauß dieser Spezies unser Fahrerhaus.
Wirklich grün wird die Landschaft erst, als wir die Hochebene verlassen und in die niedrige gelegene Gegend um Alta fahren. Der plötzliche Vegetationswechsel ruft bei uns nahezu Erstaunen und auch ein bisschen Erleichterung hervor. In den letzten Tagen hatten wir uns schon fast an die kargen und vegetationsarmen Gebiete gewöhnt. Endlich wieder grüne Spitzchen. Alta liegt wieder auf Meereshöhe und es gibt sogar wieder richtiges grünes Gras. Dass wir unser Übernachtungsplätzchen zu später Stunde (21.00 Uhr) überhaupt noch gefunden haben, war ein bisschen Glück, dachten wir...aber eigentlich findet jeder hier oben noch ein Plätzchen ohne, dass 50 Womos in der Reihe stehen.
Der gefundene Campingplatz, Solvang-Camping, liegt ruhig am Transfarelva, einem kleinen Seitenarm des Altafjords. Es ist noch lange hell, wie wir das zu dieser Jahreszeit vom Norden nun mal gewöhnt sind und so gehen wir trotz später Stunde nochmal eine Gassirunde mit Odin. Ruhe und Abgeschiedenheit begleiten uns. Schließlich übermannt uns dann aber doch die Müdigkeit, denn wir haben heute in relativ kurzer Zeit fast 250 km zurückgelegt. Zuvor das Erlebnis Nordkap mit vielen Eindrücken, die der Mensch erst einmal verarbeiten muss. An Schlaf war für mich in dieser Nacht trotz allem nicht zu denken. Vielmehr mußte ich von Ferne, über die Webcam des Nordkaps, eine traumhafte Nacht mit Mitternachtssonne am Kap erleben. Einziger Fehler. Wir waren nicht vor Ort.
Diese Tatsache sollte mich in den kommenden Tagen noch viele Male beschäftigen.
Noch lange lag für mich daher der Hauch des Unvollendeten auf unserem Besuch des Nordkaps.
Erst viel später würde eine gewisse Nüchternheit in meine Betrachtungen Einzug halten. Daraus ist die Erkenntnis gewachsen, diese Reise wohl noch einmal machen zu müssen und zu wollen, um Unvollendetes irgendwann einmal zu vollenden.
Sehr spät am Abend erwartete uns noch eine kuriose Begegnung. Es war die mit einem chinesischen Pick-up-Fahrer. Auf seinem Fahrzeug waren nach Ralleyart Startnummer angebracht. Sein ausschließliches Ziel war es offenbar, tausende Kilometer von Zentralchina über die Mongolei, Russland und die baltischen Länder bis ans Nordkap zu fahren und das auch wieder zurück. Dagegen muten unsere "paar Kilometer" wie ein Sonntagsnachmittagsspaziergang an. Das alles offenbar auch noch in einer bestimmten Zeit, denn er kam, schlief und verschwand am kommenden Tag wieder, ohne viele Worte zu verlieren.
Informationen über sein Vorhaben konnten wir leider nicht bekommen, denn der gute Mann sprach außer chinesisch kein Wort Englisch oder gar Deutsch. Da auch wir kaum des Chinesischen mächtig sind, beschränkte sich unsere Unterhaltung auf wildes Herumfuchteln mit Händen und Füßen.
Der Chinese gab uns für unser Fahrzeug viele Daumen hoch und raste wie wild fotografierend um dieses herum, um dann im affenzahn Richtung Nordkap zu entfleuchen. Leider brachte uns auch das auf seinem Auto angebrachte Schild "Tuyuan international road trip" keine Informationen über seine Tour.
Dienstag, der 28. Mai 2024
Unsere Reise geht gegen 11.00 Uhr weiter auf der E6 entlang des Altafjordes, des Langfjordes und des Badderfjordes. Eine Brücke führt uns über den Sörstraumen bis hin zum Oksfjord. Das Wetter ist freundlich. Immer mehr setzt sich der so geliebte blaue Himmel durch. Die zwar in weiten Stücken noch karge, aber trotzdem beeindruckende Landschaft tut das Übrige zur Herstellung guter Reiselaune. Der Trollexpress schnurrt dahin und wir begegnen selten entgegenkommenden Fahrzeugen.
Überholt werden wir kein einziges Mal. Über Camperkontakt, einer sicher allseits bekannten App, die uns auf unserer Reise schon mehrfach zu interessanten Stellen geführt hat, finden wir einen nagelneuen, teilweise noch in Fertigstellung befindlichen Stellplatz, der offenbar von der hiesigen Gemeinde betrieben wird.
Die kleine Ortschaft Oksfjordhamn liegt idyllisch zwischen Fjord und umliegenden Bergen. Unweit des Stellplatzes gibt es die Grundschule, den Kindergarten, das Bürgerhaus.
Gleich nebenan rauscht ein glockenklarer Fluss, der Fiskelva, der den Fjord. Wie wir später herausfinden, wird er vom Oksfjordvatnet, einem nicht ganz kleinen See gespeist, der wiederum sein Wasser von den umliegenden Bergen bekommt.
Entsprechend kalt kommt es da von oben geflossen. Eine Wanderung entlang des Flusses wird zum wirklichen Erlebnis.
Nach einem, von Conny gezauberten, äußerst schmackhaften Abendessen mit Lachs und Pellkartoffeln auf selbstgemachter Kräuterbutter, geht es mit Odin eigentlich nur auf eine normale Gassirunde. Was uns aber in diesem Flusstal erwartet, ist so herrlich und typisch nordisch, dass wir am liebsten spontan hierherziehen würden. Ein Fußbad im Fluss lässt uns das Blut erstarren. Der verlockende Gedanke, hier ein kurzes Bad zu nehmen, wird somit im Keim erstickt.
Odin dagegen, er ist zwar im Allgemeinen sehr wasserscheu, wagt sich hier aber bis zum Bauch ins eisige Nass. Was uns noch begegnet, sind Unmengen von Elchkacke.
Eigentlich müsste hier doch jeden Moment ein Schaufelträger hinter den Bäumen hervorspringen. Leider wird uns ein solches Erlebnis auch heute nicht zuteil.
Erst spät zieht es uns zum Stellplatz zurück, wo wir gegen 23.00 Uhr den Sonnenuntergang erleben. Wir sind zwar noch im Bereich der Mitternachtssonne, aber die Berge verschlucken Tante Klara für ein paar Stunden, bevor sie kurze Zeit später wieder über die Höhen lugt.
Die hellen Nächte jenseits des Polarkreises sind beindruckend. Von Vorteil ist trotzdem, wenn man seinen Schlafplatz bei Bedarf gut verdunkeln kann. Hier ist der Trollexpress bestens aufgestellt. Einzig durch die kleinen Löcher der Verdunklungsrollos dringt das Licht und lässt einen so nicht ganz das Gefühl für Tag und Nacht verlieren. Man kann also eigentlich selbst bestimmen, wie lange die Nacht dauern soll. Wir hatten fast auf der gesamten Reise damit zu tun, dass wir bis spät in die Nacht hinein, einfach nicht müde genug waren, um vor Mitternacht schlafen zu gehen. Conny hatte dabei meist die Nase vorne, sowohl beim Schlafengehen als auch beim morgens aufstehen. Odin dagegen war schon immer sowohl beim-früh-schlafengehen als auch beim spät-wach-werden nordischer Weltmeister.
Mittwoch, der 29.5.2024
Über Olderdalen nach Svensby
Der Oksfjord.
Das ist wieder einmal so ein Plätzchen auf dem 66° Breitengrad, an dem man sich ein dauerhaftes Leben jenseits aller mitteleuropäischer Hektik vorstellen könnte.
Wenn immer, wie heute, blauer Himmel wäre.
Wenn es das ganze Jahr, wie heute, um die 20 Grad warm wäre.
Wir, als Rentner, keinen Zeitdruck mehr hätten.
Wenn man seine Lieben auch hier oben in der Nähe hätte.
Wenn es hier nicht monatelang kaum hell würde.
Wenn der nächste Großmarkt nicht über 100 km entfernt wäre.
Wenn man fließend Norwegisch sprechen könnte.
Wenn man ein Haus mit gewohnten Annehmlichkeiten hätte u.s.w.
Naja, wir überlegen uns das nochmal in Ruhe.
Auf jeden Fall: Wir kommen wieder!
Jetzt geht es nach bewährter Methode erstmal weiter.
Treppe abbauen und am Fahrzeug sichern.
Tisch und Stühle verstauen.
Sind alle Fenster zu?
Odin an Bord nehmen.
Nachsehen, dass kein Elch unter dem Laster liegt.
Piloten und Copilotenplätze einnehmen.
Startcheck durchgehen.
Triebwerke anlaufen lassen.
Druckluftbremse lösen.
Ready for take off.
Langsam auf die Rollbahn rollen.
Vollschub.
Und schon sind wir wieder auf der E6. Die Brücke über den Fiskelva, 4 Meter 40 - passt.
Es mag ganz einfach verkehrstechnisch nicht anders gehen. Viele Straßen schlängeln sich in Norwegen dicht am Wasser, an den Fjorden und Seen entlang.
So haben eigentlich alle Straßen den Status einer Traumstraße. Hinter jeder Biegung wartet auf uns ein neuer, faszinierender Ausblick. Das alles bei Traumwetter.
Und beide sitzen wir auf unserem fahrenden Ausguck. Hoch genug, um über viele Kleinigkeiten hinweg zu sehen. Selbstverständlich immer in der ersten Reihe. Für die landschaftlichen Schönheiten fehlen uns immer öfter die Worte.
Welches Glück, heutzutage diese Eindrücke nicht mehr auf Zelluloid bannen zu müssen, sondern unzählige Aufnahmen im Handy und auf der Cloud konservieren zu können. Es gibt hier fast kein Limit mehr. Ein Gigabyte hat kaum noch eine fassbare Dimension. 512 GB passen selbst in die kleinste Tasche. Wichtig ist dabei, die ganze Faszination nicht nur durch die Optik eines Handys zu sehen.
Die wirklich beeindruckenden Momente und Ansichten auf der natürlichen Festplatte, in der eigenen Erinnerung zu speichern, funktioniert nur, wenn dies hautnah und am Ort des Entstehens geschieht. Kein noch so schönes Erinnerungsfoto kann diesen Moment des eigenen Erfahrens ersetzen.
Am Ende unserer Reise werden wir reichlich 3.000 Fotos und ungezählte Videos gemacht haben. Auch auf dieser Etappe begegnet uns ein Highlight nach dem anderen. Mit "Highlight" meine ich nicht etwa irgendwelche speziellen Touristenhotspots. Es sind die für Norwegen ganz normalen landschaftlichen Schönheiten, wie es sie in Anzahl und Qualität im dicht besiedelten und "kultivierten" Süden kaum noch gibt.
Wir fahren am Lyngenfjord, den wundervollen Fjordveien entlang und müssen einfach anhalten, die Aussicht genießen und... natürlich Bilder machen.
An der gegenüberliegenden Seite des Lyngenfjordes schauen wir auf die beeindruckenden Höhenzüge des Vaggastinden und des Lenangstinden. Die teilweise noch von schneebedeckten Berge mit bis zu 1.625 Meter Höhe, sind auf normalen Straßen nicht zu erreichen.
In diesem Gletschergebiet gibt es nichts als unberührte Natur. Auf unserer Seite des Fjordes führen die Einheimischen, viele Kilometer nördlich des Polarkreises, ein vermutlich ganz normales Leben.
Es geht weiter entlang des Kåfjord, nach Olderdalen.
Der Ort hat knapp 2.000 Einwohner, von denen viele zum Volk der Samen gehören.
Man lebt überwiegend von der Fischerei, aber auch von der Landwirtschaft, in Form von Rinder- Schaf- und der Ziegenzucht.
Von Olderdalen nach Lyngseidet verkehrt eine Fähre.
Der Fjord ist glatt und funkelt vor uns im Sonnenlicht. Außer uns warten schon einige LKWs und PKWs auf die Überfahrt.
Kurz vor drei ist die Fähre auf dem Weg zu unserer Anlegestelle.
Punkt drei fahren wir an Bord.
Die Fährfahrt dauert recht genau 50 Minuten. Dann geht es in Lyngseidet wieder an Land. Bei Kaiserwetter fahren wir einmal mehr direkt am nächsten Fjord, dem Ullsfjord entlang. Grobe Richtung: Westwärts. Inzwischen ist es halb Fünf geworden. Jetzt noch die nächste Fähre nehmen und dann noch ein neues, schönes Plätzchen suchen? Dann könnte es spät werden. Eigentlich wollen wir das ja nicht. Am Abend sollte Zeit genug für ein gemütliches Abendessen, möglichst mit viel Sonne und Zeit zum Ausruhen sein. Deshalb sondieren wir kurz die Lage und stellen fest, dass ganz in der Nähe ein Campingplatz lockt. Außerdem ist uns die nächste Fähre gerade vor der Nase weggefahren. Also auf zum Campingplatz, denn es sind nur wenige Meter bis dahin.
Svensby Camping liegt wunderschön am Ullsfjord. Der Platz schmiegt sich terrassenförmig an eine kleine Anhöhe. Das Einchecken geht völlig unkompliziert über ein Online-Check-in. Für alle Arten des Campings ist vorgesorgt. Es gibt sowohl Stellplätze für Wohnmobile als auch Hütten für Übernachtungen Durchreisender und für ganz normale Touristen. Eigentlich brauchen wir weder eine Campingplatzküche und noch nicht mal eine Dusche. Wir haben alles an Bord. Trotz unserer tollen Trockentrenntoilette, eine richtige Toilette in der Nähe zu haben, um zumindest die "schwerwiegenderen Geschäfte" dort erledigen zu können, ist jedoch immer schön. Auf Svensby Camping ist alles vorhanden und wir nutzen am darauffolgenden Tag sogar den Luxus einer Waschmaschine und eines Trockners, den wir hier für kleines Geld mieten können. Schließlich sind wir nun schon 4 Wochen unterwegs und unser Schmutzwäschebeutel hat sich zwischenzeitlich stattlich gefüllt.
Was uns an Svensby-Camping aber besonders gefällt, ist die grandiose Aussicht über den Ullsfjord. Völlig unklar ist, dass ich nicht herausbekomme, wie die Berge auf der anderen Seite des Fjordes heißen. Sie sind weder in Google Maps noch irgendwo anders finden.
Nach einem kleinen Rundgang über den Platz stellen wir fest, dass wir erst einmal alles richtig gemacht haben. Gut, dass wir nicht weitergefahren sind, sondern hier Station gemacht haben.
Kurz nach unserer Rückkehr zum Troll gibt es dann auch das ersehnte, von Conny gezauberte, großartige Abendessen.
Thüringer Bratwürstchen, Rührei mit Speck auf getoasteten Brotscheiben.
Dazu ein weitgereistes Bierchen aus der Heimat. Naja, nicht ganz die Heimat.
Bitburger trinke ich zu Haus nur selten. Lieber ist mir ein Gessner Bock aus Sonneberg, aber... in der Not frisst der Teufel Fliegen.
Und als wir alles verschlungen hatten, gab es ihn noch.
Ihn? Na, den Sundowner. Standesgemäß im Arctic Explorer-Glas.
Im Hintergrund die blauen Berge, deren Name wir nicht rausgekriegt haben.
Über WhatsApp fragen wir in der Heimat an, welches Glas das Schönere ist.
Das Leere oder das Volle?
Die kleine Umfrage geht eindeutig aus: Das Volle!
Logische Konsequenz:
Wenn wir noch einmal ein schönes Glas haben wollen,
sollten wir es noch einmal voll machen.
Gesagt-getan.
Auf Grund des aufwendigen Abendessens, gibt es nun aber auch einen riesigen Berg Abwasch.
Naja! Odin muss zur Erledigung seiner rückwärtigen Befindlichkeiten noch einen kleinen Abendgang machen. Meist übernimmt das Conny. Ich bin eher der Abwaschtyp. Ich genieße dabei neben der Einsamkeit, den Blick aus dem Küchenfenster und die kurzen Wege. Das heißt - Abwaschen auf engsten Raum, ohne sich dazu vom Fleck zu bewegen zu müssen. Danach alles in die Schubfächer und Klappen einsortieren.
Alles in unmittelbarer Griffweite. Toll!
Gassi gehen ist für mich da eher anstrengend.
Für Conny zwar vor jedem Gang auch, aber nach jedem Gang berichtet sie mit leuchtenden Augen, was sie alles Tolles gesehen und entdeckt hat, wie schön das Wetter ist und wie klar die Luft war.
Also bleiben wir vorerst bei der bewährten Rollenverteilung:
Conny und Odin Gassi.
Kanne - Abwaschen mit Ausblick.
Alles andere hat sowieso keinen Zweck.
Donnerstag, den 30.5.2024
Mit den E-Bikes in der Gegend um Svensby
Bis hierher haben wir unsere E-Bikes lediglich spazieren gefahren. Und da sind schon einige Kilometer zusammengekommen. Sowohl in Rovaniemi als auch am Nordkap war kurz der Gedanke, jeweils etwas herumzuradeln. Eher mehr, um dabei lustige Aufnahmen zu machen, als wirklich die Gegend zu befahren.
Hier jedoch passt zum ersten Mal die Zeit und das Wetter, um die Vehikel mal herunterzulassen und damit die Landschaft zu erkunden.
Nach dem Abnehmen des Staubschutzes bleibt uns zunächst erst einmal der Mund offenstehen. Der Staubschutz hat hervorragend funktioniert. Der ganze Staub der bisher gefahrenen Kilometer ist bestens geschützt gewesen. Bikes und Zubehör sind bis in die letzte Fuge schneeweiß. Na bravo. Zum Glück haben wir nicht nur Essen, Trinken, eine Dusche und eine Trockentrenntoilette an Bord, sondern auch einen eingebauten Kärcher mit Warmwasserzufuhr. Ja ich weiß, dass man ein Fahrrad nicht abkärchert und schon gar kein E-Bike, aber mit der gebotenen Vorsicht kann man`s schonmal tun.
So gereinigt ging es auf Erkundungstour. Odin begleitet uns im Hundeanhänger. Mittlerweile macht ihm das sogar Spaß. Als er noch klein war, hatte er damit nichts am Hut. Irgendwann einmal, bei Ausflügen in Dänemark, hat er es dann gelernt. Heute liebt er zwischendurch mal nebenherzuhetzen und wenn es dann zu anstrengend wird, verschwindet er in seiner Sänfte und genießt den Fahrtwind. Er schaut oben heraus, lässt seine Ohren wehen und ab und zu verbellt er aus voller Kehle einen entgegenkommenden Kameraden. Dabei macht er deutliche Unterschiede. Die meisten Kumpels lässt er ungeschoren. Trifft er aber eine französische Bulldogge, egal welcher Größe, ist Aufruhr angesagt. Kurz darauf beruhigt es sich genauso schnell wieder, wie er sich zuvor aufgeregt hat.
Für uns ist es eine besondere Erfahrung auf Norwegens Straßen mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Als Erstes fällt uns auf, dass die Straßen hier unglaublich starke Fahrrinnen haben. Bei der Fahrt mit dem Trollexpress macht sich das auch nicht gerade positiv bemerkbar, denn es würfelt uns schonmal hin und her. Beim Fahrradfahren sieht man aber erst einmal, wie stark diese Rinnen ausgefahren sind. Im Straßenbau Norwegens fehlt es mit Sicherheit nicht an geeigneten Baumaterialien. Fast überall ist felsiger Boden verbreitet und überall steht ausreichend Packlager aus Granit, Basalt und allem, was die vergangenen Millionen Jahre hinterlassen haben bereit. Das Problem wird sicher die Last durch die tonnenschweren Lastzüge sein, deren Größe und Gewicht wir so in Mitteleuropa nicht kennen. Besonders die zahlreichen Holztransporte fallen auf, welche mit viel Schwung und Geschwindigkeiten nahe der 80 km/h über die Pisten fliegen. Dagegen ist der PKW-Verkehr eher verhalten. Bei schönem Wetter kommen wir dank unserer Elektroantriebe und trotz des Hundeanhänger gut voran. Uns fällt sofort auf, dass selbst PKWs im Gegenverkehr beim Anblick von Radfahrern ihre Geschwindigkeit sehr vorausschauend verringern. Für den Radler das Signal: "Hallo! Wir sehen Euch!" Die Autos, die in gleicher Fahrtrichtung wie wir unterwegs sind, bremsen auch ohne Gegenverkehr fast ausnahmslos auf Radfahrgeschwindigkeit ab. Sie überholen uns mit großem Abstand und sehr langsam erst dann, wenn 110% sicher ist, dass wirklich nichts entgegenkommt. Ich muss mir eingestehen, dass ich diese Fahrweise mit dem Trollexpress bisher nicht so extrem praktiziert habe und deshalb sicher nicht immer positiv aufgefallen bin.
So unterwegs sind wir bis zur Mündung eines kleinen, aber klaren Flüsschens. Dieses heißt genauso wie der See, aus dem er gespeist wird. Von hier aus verlaufen gut ausgebaute Wanderwege erst in Richtung und wenig später entlang des Jægervatnet, einem traumhaften See mit ebenso glasklarem Wasser. Hier einmal zu Angeln wäre sicher eine gute Idee. Wir verlassen also die asphaltierte Straße und fahren offroad weiter.
Einfach unbeschreiblich ist das hier gerade stattfindende Frühlingserwachen. Egal wohin man sieht, bricht frisches Grün hervor. Ein Meer von Farnen explodiert regelrecht.
Von Schmelzwasser gespeiste kleine und große Bächlein rauschen von den umliegenden Bergen. Sie sind so klar, dass es kein Problem ist, direkt daraus zu trinken. Odin ist sowieso Trinkwasserspezialist. Zu Hause trinkt er zwar manchmal lieber aus einer Gießkanne mit abgestandener Brühe, kann aber hier nicht widerstehen, das frische Nass zu kosten. Und es scheint ihm zu munden.
Nachdem wir eine kleine Siedlung von nur wenigen, dafür aber sehr schicken Häuschen hinter uns gelassen haben, geht es direkt waldwärts weiter. Ob es nun humorvolle Bewohner oder die Kinder des kleinen Ortes waren, jedenfalls hat hier irgend jemand einen kleinen Park mit allerlei Trollfiguren gebaut. Manche sehr lustig, andere aber auch etwas grauslich. Wir fühlen uns als Reisende, die mit dem Trollexpress unterwegs sind, natürlich gleich zu Hause. Immer wieder müssen wir anhalten, um innezuhalten und die Aussichten zu genießen. Während unserer Erkundungstour sind wir vollkommen allein. Keine Menschenseele begegnet uns, was dem allen nochmal eine ganz besondere Note gibt. Vielfach liegt noch Schnee auf den Wegen. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine Radtour. Trotzdem kehren wir erst um, als die Piste nach einigen Kilometern morastig und unwegsam wird. Eine kleine Picknickpause mit traumhaftem Blick auf den Jægervatnet mir seinen umliegenden Bergen läutet die Rücktour ein. Der Hundeanhänger, die Anstiege und die zum Teil aufgetauten Waldwege haben meinem E-Bike-Akku schwer zugesetzt. Schaffen wir den Rückweg damit noch?
5 km bis Svensby-Camping zu schieben, wäre recht uncool. Zum Glück hat Connys "Bolide" weit weniger Energie verbraucht und wir beschließen die Akkus zu tauschen. So umgerüstet geht alles glatt und wir sind heilfroh, am späten Nachmittag wieder zurück am Ausgangspunkt unserer Tour anzukommen.
Freitag, den 31. Mai 2024
Tromsö
Der letzte Maitag begrüßt uns, noch immer viele Kilometer nördlich des Polarkreises, mit voller Sonne und blauem Himmel. Die Fähre pendelt schon seit dem frühen Morgen über einen spiegelglatten Fjord hin und her. Sie ist noch eine, die mit altbewährten Treibstoffen auskommt. Viele andere Fähren werden bereits elektrisch betrieben.
Wir verabschieden uns von Svensby. Etwa halb Zwölf steht der Troll an der Fähre. Außer uns steht erst ein Mitfahrer am Start. Als die Fähre punkt Zwölf anlegt, verlassen sie locker 30 Fahrzeuge. Das ist eigentlich Vollauslastung. Mit uns sind es kaum die Hälfte, die in die andere Richtung fahren wollen. Die Fahrt geht nach Breivikeidet und dauert etwa eine halbe Stunde. Danach geht es direkt nach Tromsö. Die Stadt gilt als Hauptstadt der Nordlichter. Um diese allerdings zu erleben, sind wir leider zur falschen Jahreszeit hier. Das Kuriose, was es so unseres Wissens nach noch nie gegeben hat war, dass vor wenigen Tagen über Thüringen Nordlichter zu sehen waren. So verrückt ist die Welt.
Unser Ziel in Tronsö ist die Eismeerkathedrale. Um diese jedoch nicht mit hungrigen Magen besuchen zu müssen, genehmigen wir uns in einem Einkaufscenter unweit der Kathedrale ein Thailandsüppchen- "typisch Norwegisch" also.
Bei Kaiserwetter geht es danach auf die kleine Anhöhe auf der das imposante Bauwerk, weit sichtbar über dem Fjord thront. Schön ist, dass heute nur mittlerer Besucherverkehr herrscht. Nachdem wir, buchstäblich "um die Ecke", einen Parkplatz ergattert haben, sind es nur wenige Schritte bis zur Kirche. Wie überall an solchen Orten, darf Odin leider nicht mit hinein. So wechseln wir uns ab. Schon die Aussicht vom Vorplatz aus ist atemberaubend.
Wie toll muss es erst im Winter hier sein, wenn die Kathedrale tiefverschneit und beleuchtet ist.
Hin und wieder spucken Touribusse eine Ladung Kreuzfahrer aus. Diese verschwinden aber schon nach kurzer Zeit wieder in Ihren Zubringern, um das zeitlich offenbar eng getakete Ausflugsprogramm zu schaffen.
Die Ishavsketedralen, die eigentlich Tromsdalen Kirke heißt, wurde 1965 erbaut und ist eine evangelisch-lutherische Pfarr-und Seemannskirche. Nebenbei ist sie die nördlichste Kathedrale der Welt. Die Silhouette der südwestlich von Tromsö gelegenen Insel Håja soll inspirierend für die Architektur gewesen sein.
Die beeindruckenden Fenster sind 1972 von Victor Sparre, einem norwegischen Maler geschaffen worden. Alles in allem wirkt die Kirche außen wie innen typisch norwegisch nüchtern und gleichzeitig doch beindruckend. Diesen Spagat schaffen die Nordländer immer wieder.
Tromsös Ruf als Hauptstadt der Nordlichter, ist sicher nicht auf die Beobachtung aus dem Stadtgebiet heraus begründet. Um Nordlichter beobachten zu können, ist eine möglichst geringe Lichtsmogbelastung von Vorteil. Dazu bietet der Hausberg Tromsö´s, der 418 Meter hohe Storsteinen, die besten Voraussetzung.
Von dessen Gipfel ist beinahe ein Rundumblick über die umliegenden Fjorde möglich. Als "normaler" Besucher bietet die Fjellheisen-Seilbahn eine komfortable Möglichkeit das Hochplateau zu erreichen. Dabei überwindet sie 359 Höhenmeter. Oben angelangt erwartet den Besucher ein einfaches Restaurant und bei Lust und Laune der weitere Aufstieg nach oben. Zunächst beeindruckt allerdings der Panoramablick über die, mit rund 42.800 Einwohnern, größte Stadt des Nordens. Sie liegt 344 km Luftlinie oberhalb des Polarkreises, geographisch gesehen, auf der Höhe von Nord-Alaska. Übers Jahr betrachtet, herrscht hier eine Durchschnittstemperatur von 5,1 Grad Celsius. Von daher werden wir heute mit unseren wiederum fast 20 Grad einmal mehr von vorne bis hinten verwöhnt.
In Tromsö scheint vom 18. Mai bis 25. Juli die Mitternachtssonne. Dafür lässt sie sich vom 26. November bis zum 17. Januar nicht blicken und bleibt unter dem Horizont.
Für den zur Nordlichtbeobachtung eingeflogenen Besucher sicher kurzzeitig kein Problem. Für die Einheimischen, auch wenn diese sich sicher irgendwann einmal daran gewöhnt haben, sicher eine Herausforderung.
Teil 7