Teil 1
Von Kälberfeld über Stockholm nach Helsinki
(Drei Orte, die man kennen sollte!)
Jetzt geht´s tatsächlich los.
Immer Richtung Norden.
Und Ihr werdet´s nicht glauben
......immer der Sonne entgegen.
Montag, der 6.Mai 2024
Trotz aller guten Vorsätze an diesem Tag, mal rechtzeitig aus dem Knick zu kommen, wird es doch fast Mittag, bis auch das letzte Utensil verstaut ist.
Haben wir an alles gedacht?
Sind die Dachfenster im Haus zu?
Alle Haustüren abgeschlossen?
Kühlschränke leer und ausgeschaltet?
Die lieben Wünsche unserer Nachbarn für eine gute Fahrt noch rasch ins Gepäcknetz geschmissen.
Dann bäumt sich der 11,3 Liter, V6 entschlossen auf, nimm einen ordentlichen Schluck Diesel
und unser Fahrzeug setzt sich in Bewegung.
Wie viele Jahre haben wir auf diesen Moment hin gefiebert.
Nun ist er da.
„Mal loszufahren und nicht genau wissen, wann man wieder zurück ist.“
So hatten wir uns das vor Jahren mal bei Beginn eines ganz normalen Urlaubes (sicher damals auch Richtung Norden) gewünscht.
Unser erstes Ziel: Die Autobahn A7, war nach etwa einer Stunde Fahrt auf der Landstraße, raus aus Thüringen, weiter durch Hessen, recht flott erreicht. Spätestens ab hier, südlich von Göttingen drückt der „normale Urlauber“ aufs Gaspedal und schwebt mit gemächlichen 170 km/h seinem Ziel entgegen.
Nicht so bei uns. Und nicht so mit dem Trollexpress.
11,99 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht bedeuten in Germany:
60 Sachen auf der Landstraße und auf Autobahnen maximal 80.
Na dann also den Leitspruch in Erinnerung rufen: „Der Weg ist das Ziel!“
Tatsächlich hat man sich recht schnell an die Geschwindigkeit, oder sollte ich besser „Langsamkeit“ sagen, gewöhnt.
Schließlich ist der gesamte LKW-Verkehr auch kaum schneller unterwegs und die beiden rechten Spuren teilt man sich so in großen und ganzen mit den Gleichgesinnten. Besonders großartig ist unsere Sitzposition.
Obwohl die meisten LKW´s im ersten Moment höher wirken, sitz man im Cockpit des Trollexpress doch tatsächlich auf Augenhöhe mit den Kollegen der professionellen Branche. Dies ist von großem Vorteil, wenn es um das Betrachten der Landschaft geht.
Besonders schön ist aber, den ganz großen und teuren Wohnmobilkollegen der Kategorie „weiße Ware“ auf Dach spucken zu können…wenn man es wollte. Aber wer will das schon. Schließlich sind wir alle Camper Kollegen.
Mit Ausnahme derer, die den Anschaffungspreis ihres rollenden Einfamilienhauses als Statussymbol heraushängen lassen.
So rollen wir mit besagten 80 Klamotten, an Hannover vorbei, bis zur Abfahrt Soltau Süd.
Eigentlich ist hier bei jeder Reise Richtung Norden ein Halt zur festen Tradition geworden.
Früher mal „Daisy´s Dinner“ hat sich der Name der im amerikanischen Stil aufgemachten Rastanlage über die Jahre öfter mal geändert. Der Stil ist geblieben.
Es war immer ein Highlight für uns und unsere Kinder dort eine erste Pause zu machen, etwas zu essen und etwas zu trinken.
Bauarbeiten hatten jedoch diesmal leider eine Sperrung der Ausfahrt zur Folge und so fuhren wir leider vorbei.
Da wir jedoch für heute genug des Fahrens hatten und 306 km eigentlich eine gute Ausgangsposition für die Strecke am nächsten Tag waren, machten wir in der Nähe von Schneeverdingen auf einem sehr ruhig und landschaftlich toll gelegenen Wohnmobilstandplatz unsere Rast für die erste Nacht.
Der außerordentlich freundliche Grundstücksbesitzer freute sich über unser Kommen und wir wechselten ein paar Worte.
Ein kurzer Gassi Gang mit Odin, der den ganzen Tag über brav auf seinem Ausguck im Trollexpress verbracht hatte. Einem schönen Sonnenuntergang folgte eine ruhige Nacht.
Dienstag, der 7. Mai 2024
An nächsten Morgen ging es bei sonnigem Wetter weiter über Lübeck nach Timmendorfer Strand zu Karls Erdbeerhof, um uns noch mit Leckereien für die nächsten Tage auszustatten.
Einen kurzen Stopp in Scharbeutz hätten wir lieber lassen sollen.
So kurz der Aufenthalt auch war, tatsächlich nur etwa 10 Minuten, so reichte es den ortsansässigen Wegelagerern doch aus, um uns, während dessen wir einer Toilette aufsuchten, eine saftige Knolle wegen vergessener Parkuhr anzuhängen.
An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank.
Als kleine Revanche, werden wir Scharbeutz nicht mehr besuchen.
Es gibt viel zu viele attraktive Ziele in Deutschland und Europa, so dass Scharbeutz nicht sein muss.
Da sind wir, wie wir sind. Irgendwie auch ein bisschen nachtragend.
Viel Glück für eure touristische Zukunft!
Unbeschwert ging die Fahrt entlang die Vogelfluglinie über die gefühlt, immer in Reparatur befindliche Fehmarnsundbrücke quer über die Insel bis zum Fährhafen nach Puttgarden.
Ohne Wartezeit konnten wir gegen 18.00 Uhr als allererstes Fahrzeug auf die Fähre nach Rødby auffahren.
Blauer Himmel und sehr angenehme Temperaturen schienen der erste Gruß Skandinaviens zu sein.
Odin hatte Spaß an den zahlreichen Möven, konnte uns jedoch keine davon zum Abendbrot fangen.
Und wieder hatten wir Glück. Währen unserer Überfahrt fand auf der Fähre eine Papstwahl statt.
Offenbar waren sich die Kardinäle auch recht schnell einig, was wir untrügerisch am aufsteigenden weißen Rauch erkennen konnten. Wer der Nachfolger von Papst Franziskus allerdings nun ist, konnten wir nicht in Erfahrung bringen, da die Überfahrt nur kurze Zeit dauerte. Kaum hatten wir uns versehen, hieß es: "Fahrzeuge anlassen,
Fertigmachen zum Verlassen der Fähre".
Nach Ankunft in Dänemark, Skandinaviens südlichster Bastion, war es zu spät, um noch weite Strecken zurückzulegen.
So landeten wir wenige Kilometer nördlich, in Sakskøbing auf einen recht einfachen aber freundlichen Stadtcampingplatz. Telefonisch wies uns ein freundlicher Verwalter mehrere Stellplätze zu Auswahl zu.
"Anmeldung und sowas machen wir morgen."
Und schon hörten wir sie wieder, die drei Worte, die den Norden so sympathisch machen:
"Alles kein Problem."
Mittwoch, der 8. Mai 2024
Auch an diesem Tag, dem 8. Mai, dem „Tag der Befreiung“, erwartete uns der bekannte blaue Himmel, welcher uns noch für lange Zeit erfreuen sollte. Nach etwa zwei Stunden erreichten wir gegen Mittag Kastrup und damit die Auffahrt zur Øhresundbrücke.
Wir hatten die Überfahrt zusammen mit der Fähre Puttgarden-Rødby vorgebucht und brauchten uns so keine Gedanken zu machen.
Ein Bauwerk dieser Art und Größe lässt uns immer wieder den Hut vor so viel ingenieurtechnischer Fähigkeit und auch dem Mut der Ausführenden ziehen. Die Tunnelfahrt ist ein eher normales Erlebnis.
Die eigentliche Brücke lässt einem auf Grund der Höhe über dem Wasser jedoch schonmal das Blut in den Adern gefrieren.
Immer schön gerade halten. Hier darf kein Reifen platzen. Ob hier schonmal einer vor die Leitplanken gedonnert ist?
Wenn ja, halten die uns aus oder geht´s dann ab in den Øhresund?
Alles Nonsens. Täglich fahren tausende Fahrzeuge und LKW`s drüber.
Sicher hat´s schonmal gekracht, aber noch nie in all den Jahren hat es einen über die Leitplanken geschmissen.
Das wäre in den 20.00 Uhr Nachrichten gekommen. Das hätte ich gewusst.
Trotzdem! Beide Hände am Lenker. Blick gerade aus.
Kaum steht einem der Sinn mal rechts oder links die großartige Aussicht zu bewundern.
Das bleibt Privileg der Beifahrerin und Privileg Odins.
Der beobachtet die ganze Aktion aber völlig relaxt, beinahe gelangweilt mit einem Auge aus den Seitenfenster heraus.
Für Ihn nichts Besonderes. „Aha! Sowas wie die Hörselbrücke in Kälberfeld. Na gut!
Vielleicht etwas höher und länger, aber lange nicht so kaputt. Also kein Grund zur Aufregung. Gute Nacht!“
Und schon geht auch Odins zweites Auge wieder zu und im nächsten Moment träumt er mit einem breiten Lächeln auf den Lippen von Käsewürfeln im Speckmantel.
Während wir auf schmalem Pfad in luftiger Höhe so dahin brummen, rückt Schweden immer näher.
Wo genau ist eigentlich die Grenze?
Im Malmö angekommen wissen wir:
Jetzt sind wir in Schweden angekommen.
Ganz gleich wo die eigentliche Grenze auch war.
Das ist das Schöne für jemanden, der mal hinter dem eisernen Vorhang gelebt hat.
Länder ohne Grenzen zu bereisen, ist ein gutes Gefühl.
1989 haben wir hier im wilden Osten die damals bestehenden Grenzen eingerissen.
Schlimm, wenn heute einige Leute glauben, neue bauen zu müssen.
Schließlich landen wir am späten Nachmittag in Ronneby auf einem kleinen Campingplatz am ebenso kleinen See, den wir während unseres Schwedenurlaubs 2023 schon kennengelernt hatten.
Hier treffen wir auch Andrea und Thomas, die uns eigentlich einen Tag später gefolgt waren, hier aber irgendwie schon als Vorhut eingetroffen sind, uns also irgendwo heimlich und unbemerkt überholt haben.
Eine abendliche Erkundung des Ortes ergibt: Alle Pizzerien schon geschlossen.
Hochwertige Gastronomie: Nicht vorhanden.
Fazit: Eigenversorgung und etwas des reichlich mitgebrachten Alkohols zum Nachtisch.
Donnerstag, der 9. Mai 2024, Himmelfahrt
Tatsächlich schaffen wir es am Morgen des 9. Mai recht flink weiterzureisen.
Die Gassi-Runde mit Odin findet, wie wir es zwischenzeitlich schon gewöhnt sind,
ein weiteres Mal bei strahlendem Sonnenschein statt.
Parkrunde mit Pfoten Waschen, schöne Blüten betrachten und flugs sitzen wir wieder, wie beim ZDF, in der ersten Reihe.
Himmelfahrt in Schweden!
Was wird da passieren? Grölende Halbstarke, die schnapsbeladene Bollerwagen ziehen?
Wir haben sie nicht getroffen, zumal es in Schweden ein seht teurer Spaß ist, einen Bollerwagen mit Schnaps und Bier zu beladen.
Sicher, Kristi Himmelfährdsdag ist auch in Schweden ein kirchliches Fest. Für alle die, die es aber damit nicht so am Hut haben, ist es einfach nur ein nettes Fest in der Gemeinde und mit Nachbarn und Freunden. Alle freuen sich über schönes Wetter und kommen auf kleinen Volksfesten mit allerlei Trödel aber auch schmackhaften Leckereien und live gesungener Musik zusammen.
Alt und Jung machen Ihr Ding. Das Treiben strahlt dabei den gewissen „Hauch von Schweden“ aus.
So auch in Bergvara, einer kleinen Ortschaft in der Gemeinde Torsas am Kalmarsund.
Keine Hektik, keine Termine. Bier wird auch getrunken.
Aber nur gegen den Durst und nicht zum Betäuben.
Den Trollexpress mit schönem Blick zum Wasser gut geparkt,
beobachten wie das frohe Treiben eine ganze Weile.
Am frühen Nachmittag rollen wir dann weiter.
Am Kalmarsund entlang Richtung Norden.
Der nächste größere Ort ist Västervik.
Das kennen wir aus dem Urlaub in Småland 2016 als nettes Städtchen.
Auch hier wäre ein Halt und eine kühles Eis eigentlich an der Tagesordnung gewesen.
Aber irgendwie trieb es uns weiter.
Der nächste Stopp sollte erst Norköpping sein.
„Ausgesprochen wird das Norschöpping“, hilft uns eine nette Schwedin, die sehr gut deutsch spricht.
„Wie auch die berühmten Köttbullar eigentlich Schöttbullar gesprochen werden.“
So sind wir wieder etwas klüger geworden und brauchen nur noch die restlichen 24.637 Worte lernen, um perfekt schwedisch sprechen zu können. Am Ende einer etwas verwirrenden Adresssuche nach dem zuvor ausgesuchten, aber unspektakulären Campingplatz ging es am nächsten Morgen wieder auf „die Piste“.
Freitag, dem 10. Mai 2024
Wieder blauer Himmel, wieder um die 20 Grad.
Das Fahren auf bestens ausgebauten schwedischen Straßen macht einfach nur Spaß.
Nach einem Tankstopp stelle ich fest, dass schwedischer Diesel zu ruhigerem Motorlauf führt als der mitgebrachte deutsche Diesel.
Einbildung oder Tatsache?
So ganz sicher bin ich mir nicht.
Eigentlich hätte zuvor auch Kolmården mit seinem unglaublich schönen Tierpark einen Halt und einen Besuch verdient. Aber irgendwie waren wir darauf aus, so rechtzeitig wie möglich in Stockholm anzukommen.
„Der Weg ist das Ziel“ war wohl noch nicht so recht das Motto der Reise.
Wohl dem Umstand geschuldet, dass am Abend des 12. Mai die Fähre nach Turku gebucht war und gefühlt schon jetzt auf uns wartete. Zuvor sollte Stockholm erkundet werden. Eine Stadt, die sich einem nicht in ein, auch nicht in zwei Tagen erschließt. Aber mehr hatten wir bei der Planung am „grünen Tisch“ im Vorfeld der Reise nun mal nicht vorgesehen.
Dank doppelter Navigation, zum einen mit der Garmin-Navi für große Wohnmobile und zum anderen klassisch mit Google Maps rutschten wir trotz Rushhour wie geschmiert durch ganz Stockholm.
Den vorgebuchten City-Campingplatz von First Camp, mitten in der Stadt und trotzdem voll im Grünen, fanden wir spielend. Die Vorbuchung erleichterte zwar die Ankunft, wäre aber kaum nötig gewesen, da noch viele Standplätze frei waren. Na klar! Vorsaison! Aber wer hätte das ahnen können!
Das gute Wetter begleitet uns nach wie vor.
Das ist ein Gläschen Schampus wert.
Das Ambiente des Platzes ist einfach nur traumhaft. Mit Odin eine tolle Gassi-Runde zu finden, war hier am Ältjasjön, einem für schwedische Verhältnisse kleinen See im Herzen Stockholms, ein Kinderspiel.
Auch Baden wäre im benachbarten Bade- und Freizeitpark möglich gewesen. Ein gutes Training vor dem geplanten Schwimmen im Beringmeer, einige Wochen später.
Die Realität: Verschoben wegen zu niedrigen Wassertemperaturen um die 15 Grad.
Hätte ich es mal gemacht, denn 15 Grad wären, was wir hier noch nicht wussten, für andere Gewässer purer Luxus gewesen. Die Natur zeigte hier in Stockholm den skandinavischen Frühling an. Grüne Blätter an den reichlich vorhandenen Birken und sogar blühende Buschwindröschen legten klar Zeugnis davon ab.
Samstag, dem 11. Mai 2024
Den City-Campingplatz als guten Ausgangspunkt mit Anschluss an die Stockholmer S-Bahn, hatten wir nicht zufällig gewählt. Wir wollten, ohne die eigenen Fahrzeuge durch die Stadt zu schaukeln, entspannt ins Zentrum kommen. Das gelingt uns genau wie geplant. Kurz vor 12.00 Uhr sind wir da. Mitten in der Stockholmer Altstadt.
Buntes Treiben ist für eine Großstadt, wie Stockholm sicher Alltag. Noch ausgelassener wird die ganze Szenerie jedoch mit einer Briese skandinavischen Gute-Laune-Wetters nach einem meist recht langen Winter. So präsentiert sich die Stadt, wir reden uns ein, weil wir da sind, von seiner flöhlichsten und ungezwungendsten Seite. Auch wenn wir um die meisten größeren Städte möglichst einen weiten Bogen machen, weil sie sehr viel weniger zu unseren Sehnsuchtszielen gehören, als Orte in freier Natur; Stockholm hat da schon immer eine Ausnahme gemacht. Und so freuen wir uns an einem solch herrlichen Tag, nach langer Pause mal wieder hier zu sein.
Bis wir uns jedoch bis zum Königspalast vorgearbeitet haben, kommen wir Minuten zu spät, um uns einen 1A Zuschauerplatz zur Wachablösung sichern zu können. Doch noch rechtzeitig genug, um das Prozedere von einer Nebenstraße aus bewundern zu können. Ein großartiges Ereignis, diese Wachablösung.
Für Nachmacher zu Info:
Die King´s Guards mit Pferden und Musikcorps kann an allen Tagen um 12.15 Uhr bewundert werden,
sonntags eine Stunde später, 13,15 Uhr.
Das Highlight, welches trotz allen Traditionen des Königshauses, Schweden wieder so speziell schwedisch, sympathisch macht:
Ein Medley mit ABBA-Songs.
Mit einem „Hop on hop off“- Doppelstockbus durch eine Stadt zu fahren ist immer ein Erlebnis.
Das in Stockholm am ersten sonnigen Mai-Sonntag nach dem langen schwedischen Winter zu tun, war einfach nur ein Event.
Wenn die Stadt rund 950tausend Einwohner hat, so waren an diesem Tag gefühlte 949tausend auf den Beinen. Auf allen Straßen, vor und in den zahllosen Museen, am Haven, in den Parks und in den Straßenkaffees.
Einen Doppelstockbus ohne Läsuren durch dieses Gewimmel zu manövrieren, gleicht eine fahrtechnischen Meiserleistung mit einer kleiner Briese Kamikaze. Das alles konnte unser Fahrer: Ein Schwarzer!
So viel zum Thema Integration von Zuwanderern.
Und besser schwedisch als wir alle zusammen sprach er auch noch.
Entspannt in der oberen Etage des Busse mit noch besserer Aussicht als im Trollexpress den Erklärungen des akustischen Stadtführers zu lauschen, war beinahe surreal.
Durch den Sonntagsverkehr und das unglaubliche Gewimmel der Menschen mit dem eigenen Fahrzeug zu fahren, mit dem Ziel, am Ende auch noch etwas von der Stadt gesehen zu haben, wäre unmöglich gewesen. Ich glaube, es hätte mir mein letztes schwarzes Haar geraubt, wenn wir es gemacht hätten.
Sonntag, der 12. Mai 2024
Nach einem entspannten Vormittag rückte der Zeitpunkt unserer Fährüberfahrt nach Turku näher.
Tschüss schöner Campingplatz, danke an die freundlichen Leute von dort.
Auf zum Fährhafen, dessen Lage wir am Tag zuvor schon etwas ausgekundschaftet hatten, um gegen Abend des kommenden Tages nicht verkehrt zu fahren.
War es Vorsicht oder Angst, am Ende doch noch zu spät anzukommen?
Gegen 17.30 Uhr standen wir als erstes Fahrzeug in der, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhandenen Schlange zur Fähre nach Finnland. Stehen wir falsch? Wieso sind da noch keine anderen Fahrzeuge da? Nee! Wir sind richtig, also Geduld. Abfahrtszeit steht auch schon dran. Und siehe da; es wurden minütlich mehr, die offenbar auch über den Teich nach Turku wollten.
Allerdings brachte uns der Blick nach vorne etwas aus dem Konzept.
Keine der Spuren wäre für unseren 3,85-Meter hohen Trollexpress hoch genug gewesen. Lediglich die Spur „Eins“ ließ Hoffnung keimen.
Dass sich hierbei aber schon einige Vorfahrende verschätzt hatten, wurde durch die völlig demolierte Dachkante des Kontrollhäuschens dokumentiert. Auch der sehr junge Kontrolleur hatte offenbar keine Ahnung, ob es da noch eine andere Möglichkeit zur Einfahrt in den Hafen gab. Einzige Möglichkeit also in diesem Falle nicht „Augen zu und durch“, sondern „Augen auf und durch“. Dank der hervorragenden Lotsentätigkeit von Thomas gelang es ohne „Feindberührung“ auf das Hafengelände zu gelangen.
Trollexpress und Kontrollhäuschen blieben heil.
Der teilnahmslose Blick des ach so jungen Kontrolleurs schien uns hinterherzurufen. „Na also! Ging doch. Wozu die Aufregung?“
Tatsächlich waren rechts und links der Oberkanten unseres Mobiles lediglich etwa 5 cm Platz. Ein kurzer seitlicher Ruckler hätte gereicht, um die Kontrolleurs-Hütte zu skalpieren. Der coole Spruch von Lotsen und Fahrer kam mit einem Lächeln fast aus einem Munde: „Na schließlich sind hier Profis am Werk!“
Zwischenzeitlich war unser Kahn eingelaufen. Noja! So im Vergleich zum Trollexpress isser schon was größer. Lassen wir uns überraschen, wie die Überfahrt verläuft.
Jedenfalls fährt erst einmal eine schier endlos erscheinende Schlange von PKWs, LKWs und einigen, (wenigen) Wohnmobilen von Bord und man fragt sich; „Wo, zum Teufel kommen die alle her?
Die können doch nicht alle auf dieser Fähre gewesen sein.“
Was soll ich sagen?
Doch!
Waren Sie!
Kaum fuhr der Letzte davon, schon schluckte das Monster die neuen Abenteuerlustigen, um sie wenig später Richtung Turku zu kutschieren.
Das Schiff selbst, die Glory von der Viking Line, überraschte uns mit dezentem Luxus. Es war alles da, was zum Wohlbefinden des gemeinen Weltenbummlers beitragen könnte. In Moment des Ablegens versprühte die Glory etwas von einem ihrer Mega-Kreuzfahrt-Kollegen und Stockholm umgab für einige Minuten ein Hauch von New York.
Einfach unbeschreiblich.
Am allermeisten beindruckte Conny und mich jedoch die Fahrt durch den Stockholmer Schärengürtel.
Gegen 21.00 Uhr tauchte die Sonne dort ganz langsam und goldgelb ins Wasser.
Das lautlose Gleiten der Glory, zum Teil beängstigend eng an den Wänden der Schäreninseln entlang und die dabei einsetzende Dämmerung, ließ alles fast mystisch wirken.
Verlockend, sich an einem der Restaurants im Schiff ein kühles Getränk zu bestellen und dabei die großartige Musik der Band zu hören. Mindestens aber genauso faszinierend, bis zum letzten Lichtstrahl auf Deck zu bleiben, um dieses einzigartige Ambiente zu genießen.
Das Szenario in seiner ganzen Schönheit einzufangen, war weder in Form eines Videos noch als Foto vollkommen unmöglich.
In solchen Momenten ist es ratsam, auch den Blick neben die Linse nicht zu vergessen.
Man verpasst sonst die wirkliche Faszination und den Zeitpunkt des Live-Erlebens bei dem Versuch, alles auf digitalem Wege einzusacken, um zu Hause später noch länger davon zehren zu können.
Das gelingt nur dann, wenn der Moment vor Ort so intensiv war, dass die Erinnerung daran beim späteren Betrachten des Bildes als Auslöser des Kopfkinos wirkt.
Nur dann findet das Erlebte seine emotionale Wiedergeburt. So erklärt sich im Übrigen auch, dass Urlaubsbilder von anderen Leuten, und seien diese noch so unbeschreiblich, für den außenstehenden Betrachter selten die Faszination ausüben, wie für den, der das Bild selbst aufgenommen und im Moment der Entstehung erlebt hat.
Alle Faszination wurde wenig später durch die einbrechende Dunkelheit und die deutliche Abkühlung auf Deck relativiert.
Ein faszinierender Abend bei Live-Musik und großartig gecoverten Songs von Bruce Springsteen bis Robby Williams war der perfekte Ausklang des Tages.
Bis tief in die Nacht gab es aber auch mehrere, äußerst amüsante Vorstellung der verschiedensten Ohrwürmer aus der Feder von Abba und anderen skandinavischen Künstlern.
Musik noch echt von Hand gemacht
Von einem Menschen im Kopf erdacht...
und mit einer Würze aus dem absolut textsicheren Publikum.
Ein echter Ohrenschmaus!
Montag, der 13. Mai 2024
Nach recht durchwachsener Nacht, auch wenn das Gleiten der Fähre in der Koje nicht einmal spürbar war, lockte uns die Neugier auf das neue Land schon sehr früh an Deck.
6.45 Uhr bei strahlend blauem Himmel, war es diesmal die Inselwelt vor Turku, die wir aus luftiger Höhe erleben durften.
Ein schnelles Frühstück und schon mahnte die Stimme aus den Schiffslausprechern, uns zu den Fahrzeugen zu begeben und diese startklar zu machen. Zum Glück auch in Englisch.
Finnisch verstehen zu wollen: Keine Chance.
Wie erwartet springt unser Troll, ohne zu murren an.
Kraftvoll hämmern seine 6 Zylinder vor sich hin, als ob sie sagen wollten: "Los, gib Gummi! Ich bin heiß auf die Route, die vor uns liegt!“
Wir lassen die Hafenanlagen hinter uns und cruisen auf der E16 Richtung Helsinki.
Eigentlich auch hier wieder schade, dass wir Turku kaum eines weiteren Blickes würdigen. Laut Reiseführer hat auch diese Stadt mit seinen knapp 190.00 Einwohnern tatsächlich Einiges zu bieten, was sehenswert gewesen wäre. Na gut. Nächstes Ziel ist nun mal Helsinki.
Auch wenn es schmerzt; alles können wir nicht mitnehmen, dann wäre unsere Reise vermutlich erst im Dezember zu Ende.
Die wenigen finnischen Schnellstraßen sind bestens ausgebaut und bei schönem Wetter fährt es sich ja sowieso gut.
Es ist wenig Verkehr auf der A1, so dass wir nach einer kurzen Rast bei Kaffee und belegten Brötchen frisch zubereitet von einer sehr netten Asiatin, die dort arbeitet, schließlich in Halikko ankommen.
Hier sollten wir zum Ersten Mal mit den, für unsere Verhältnisse riesigen Prisma-Einkaufszentren Bekanntschaft machen. Da gibt es einfach alles, was man braucht oder auch nicht braucht.
Allein die Auswahl an Eishockeyschlägern, die für einen gelungenen Sommerurlaub in Finnland einfach unverzichtbar sind, hätte das Herz unserer beiden Enkel Maxi und Alex höher schlagen lassen.
Da wäre für jeden Spieler der Black Bears Freising der Richtige dabei gewesen.
Wir fanden jedenfalls genügend, was wir brauchen konnten, und gingen mit der ersten gepfefferten Rechnung des Nordens, beladen mit allerlei Schätzen, zurück zum Trollexpress.
Einmal Volltanken und die nächsten 400€ für Diesel flossen in die Kassen von Shell-Finnland.
Kurz nach 14.00 Uhr spürten wir dann den "stählernen Hauch" des Straßenverkehrs um Helsinki herum.
Unser anvisierter und auch wieder vorgebuchter Campingplatz lag weit im Osten der Stadt.
So mussten wir über den KÄHA-Ring 2 zwar am Rand, aber trotzdem fast komplett durch die Stadt durch.
Da der Arbeitstag in Skandinavien offensichtlich nicht wie bei uns in Deutschland gegen 16 oder 17 Uhr endet, sondern nicht selten schon gegen 14.00 Uhr, hatten wir sie nun wieder:
Die Rushhour.
Na dann. Augen auf und durch.
Trotz aller Staus und Hindernisse erreichten wir unser Tagesziel zur gesegneten Kaffeezeit.
Wetter? Ich traue es mir kaum noch zu sagen:
Blauer Himmel mit hübschen, weißen Deko-Wölkchen.
Angenehme Temperaturen um die 20 Grad.
Abend Chillout und dezenter Gebrauch des mitgeführten und jedenfalls zu diesem Moment noch reichlich vorhandenen Alkohols.
Man hat schließlich sowas wie Urlaub.
Bleibt dran. Erst jetzt wird es so richtig interessant:
Von Helsinki immer Richtung Norden.