Teil 2
Von Helsinki immer Richtung Norden
Montag, der 13. Mai 2024
Unser anvisierter und auch wieder vorgebuchter Campingplatz lag weit im Osten der Stadt.
So mussten wir über den KÄHA-Ring 2 zwar am Rand, aber trotzdem fast komplett durch die Stadt durch.
Da der Arbeitstag in Skandinavien offensichtlich nicht wie bei uns in Deutschland gegen 16 oder 17 Uhr endet, sondern nicht selten schon gegen 14.00 Uhr, hatten wir sie nun wieder:
Die Rush Hour.
Na dann. Augen auf und durch.
Trotz aller Staus und Hindernisse erreichten wir unser Tagesziel zur gesegneten Kaffeezeit.
Wetter? Gegen Abend nicht mehr so ganz sonnig, aber immer noch mit vielen Blauanteilen.
Trotzdem angenehme Temperaturen um die 20 Grad.
Abend Chillout und dezenter Gebrauch des mitgeführten und jedenfalls zu diesem Moment noch reichlich vorhandenen Alkohols.
Man hat schließlich sowas wie Urlaub.
Dienstag, der 14. Mai 2024
Bei der ersten Planung unserer Tour in und durch Finnland erschrecken wir etwas.
Haben wir die falschen Infos oder gibt es in Finnland keine Campingplätze? Weder das eine noch das andere trifft zu. Es gibt schon Campingplätze, aber bei weitem nicht in der Dichte wie wir es von Schweden oder Norwegen oder ganz und gar von Deutschland gewöhnt sind. Das liegt einmal daran, dass Finnland, selbst der Süden, weit weniger dicht besiedelt ist und auch daran, dass es hier Campingplätze gibt, die man spontan nicht als solche bezeichnen würde und die auch nicht als solche ausgewiesen sind. Es sind einfache aber genial in die Natur eingefügte Stellplätze mit minimaler Ausstattung, was aber keinesfalls deren Attraktivität beeinträchtigt. Im Prinzip genau das, was wir als Naturliebhaber und Outdoorfans suchen.
Beinahe schon eine Ausnahme ist hierbei der Rastila Camping in Helsinki. Er liegt, wie schon erwähnt, im Osten der Stadt und verfügt ähnlich wie der Platz in Stockholm über einen unmittelbaren Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel. In diesem Fall waren es ganze 5 Minuten Fußweg zur S-Bahn, die uns bequem und ohne Stress in die Innenstadt brachte.
Angekommen am Zentralbahnhof bedurfte es allerding einiger brieftaubenartiger Orientierungsfähigkeiten, um sich durch den Dschungel der unmittelbar angrenzenden Einkaufstempel ins Freie zu retten. Das war sicher kein Zufall und kostet den arglos hier anlandenden Touristen sicher schon mal den einen oder anderen Euro, bis er nur das Tageslicht erreicht hat. Wir blieben hart und hielten allen Versuchungen, um der Kultur und nicht dem Mammon zu frönen.
Auch in Helsinki suchten wir uns einen der berühmten Hop-on-Hop-of- Busse. Eine wirklich tolle Möglichkeit, um auch Städte der gehobenen Größenordnung stressfrei erkunden zu können. Unser erster Stopp galt unweigerlich dem weltweit bekannten weißen Dom von Helsinki, dessen Wirkung noch durch den fast schon unanständig wirkenden, blauen Himmel vervielfacht wurde. Im Gegensatz zu Stockholm fanden wir eine sehr übersichtliches Touristendichte vor. Auf diese Weise entstanden schon fast privat wirkende Fotos auf der Treppe vor dem Dom.
Im Dom selbst trafen wir einen alten Bekannten- Martin Luther – nach dem selbst unsere Dorfkirche in Kälberfeld benannt ist. In Luthers Gesellschaft begegnen Melanchton und Agricola, der keinesfalls der Erfinder der Coca-Cola ist.
Der Dom wurde 1830-1852 im klassizistischen Stil erbaut und verfügt über eine Kreuzkuppel. Auf dem Senatsplatz vor dem Dom befindet sich das Denkmal von Alexander dem II., dem Nachfolger von Zar Nikolaus dem I. Die enge Verbindung Finnlands zum Russland des 18. und 19. Jahrhunderts wird deutlich.
So tief in die Geschichte einzudringen, war aber nicht das Ziel unserer Reise.
Uns interessierte eher das Helsinki von heute mit seinen kulinarischen Verlockungen.
Welch Wunder also, dass es uns früher oder später in die Markthalle von Helsinki verschlug.
Die Spezialitäten des Nordens, wie Lachs, Fisch im Allgemeinen sowie Rentier und Elch steigerten unseren Appetit ins Grenzenlose.
Die verlockenden Gerüche zogen uns förmlich in eine der gut gesuchten Abteilungen der Markthalle. Wie überall in Skandinavien brachte uns auch hier der Blick auf die Preisangaben der Gerichte ins Taumeln. „Aber wenn wir nun mal hier sind. Und wer weiß; so schnell kommen wir nicht wieder hierher.“
Gut genährt ging es schließlich weiter im Bus. Noch etwas Kultur in der sehenswerten Temppeliaukio-Kirche, eine von 1961 bis 1969 erbaute Felsenkirche die direkt in den Granit des Untergrundes geschlagen wurde. Sie gilt als herausragendes Beispiel der modernen finnischen Architektur. In ihr finden viele Konzerte statt.
Jährlich wird sie von etwa 500.000 Besuchern aufgesucht.
Auch beim Betrachten der Schreibweise dieser Kirche immer wieder die Frage:
Wie kann man sich so viele doppelte Laute und Buchstaben merken, die am Ende dann gar nicht so gesprochen werden, wie man sie schreibt. Es heißt es immer wieder: Deutsche Sprache-schwere Sprache.
Darauf antworte ich als Deutscher: Finnische Sprache- unlernbare Sprache.
Aber es soll ja sogar Menschen geben, die Chinesisch sprechen….und schreiben können!
Fazit unserer viel zu kurzen Helsinki-Visite:
Eine tolle Stadt, tolle Leute, skandinavische Gelassenheit.
Finnland war vor langer Zeit schon mal der Freund der DDR.
Leider durften wir trotzdem damals nicht dort Urlaub machen.
Umso interessanter ist es heute für uns, das Land kennen zu lernen.
Mittwoch, der 15. Mai 2024
Aufwachen, blauer Himmel, wieder schönes Wetter.
Cornelia kann beim Fotografieren nicht schön schauen, weil die Sonne blendet.
Die Butter schmilzt auf dem Frühstücksbrötchen.
Klar…wir sind ja in Finnland.
Und heute geht’s weiter. Das funktioniert nicht so ganz früh, denn Aufstehen findet so gegen 8.00 Uhr statt und nach dem Frühstück muss Odin gewöhnlich seine Morgenrunde machen.
So wird es nicht selten 10.00 oder sogar 11.00 Uhr, ehe wir auf die Piste kommen. Egal, wir sind ja nicht auf der Flucht und eigentlich noch ganz am Anfang unserer Reise.
So schaffen wir es heute aus der E75 über Lahti und Mikkeli bis nach Naarajärvi.
stolze 308 Kilometer! Wir landen auf einem kleinen Campingplatz am See Vangasjärvi.
Das Ehepaar, welches den Platz betreut, spricht kein Wort Englisch und schon gar kein Deutsch. Warum sollten sie auch.
Kein deutscher Campingplatzbetreiben spricht schließlich Finnisch?
Wir können uns trotzdem gut verständigen und finden einen schönen Platz.
Sogar die Sauna hätten wir nutzen können, wenn wir das gewollt hätten.
Aber wir waren noch nicht in der Stimmung. Einzig eine Wäsche mit dem noch reichlich vorhandenen Restschnee ließ uns die Abenddusche sparen.
Zum Baden im See fehlte uns ebenfalls noch der Mut, denn schließlich schwimmen noch reichlich Eisschollen darin, was vermuten lässt,
dass sich die Wassertemperatur nahe der Null Grad bewegt.
Donnerstag, der 16. Mai 2024
Gegen 15.00 Uhr finden wir ein schönes Plätzchen und finden, es wäre Zeit zum Pause-machen und ein Käffchen zu schlürfen. Wie immer sind wir fast allein und können die Ruhe genießen.
Lediglich ein junger Halbwüchsiger ist mit der Reinigung eines Pavillons beschäftigt. Wir vermuten mal, dass er die schlechten Graffitis selbst drangesprüht hat. Danach ist er verpfiffen worden und muss nun sein Kunstwerk zur Strafe in aufwendiger Handarbeit selbst wieder entfernen. So hart ist das Leben!
Teil des Standplätzchens am Rande einer kleinen finnischen Ortschaft ist unter anderem eine Grillkota. Wiederum für jeden nutzbar.
Einzige Bedingung: So sauber, wie man sie vorgefunden hat, bitte auch wieder verlassen. Kosten? Keine.
Jedenfalls ist er, als wir gegen 16.00 Uhr weiterfahren, noch lange nicht fertig.
Viele Straßen in Finnland sind schnurgerade bis zum Horizont.
Gegenverkehr ist selten. Überholt wird schon gar nicht.
Das Bild erinnert uns an unsere Wohnmobilreise durch Kanada vor fast 15 Jahren.
Die Suche nach der nächsten Übernachtung führt uns zu einem Anwesen, wo sowohl Hütten zu mieten gewesen wären wie auch nur einfach Standplätze.
An diesem Abend findet jedoch ein ganz spezielles Event statt.
Eine Modenschau für die Damen aus der Umgebung!
Unsere Frauen sind spontan dazu eingeladen und werden,
wen wundert es, auch fündig. Die junge Frau, die Besitzerin der Anlage ist, führt offenbar öfters Veranstaltungen durch. So gibt es ein kleines Restaurant und ein speziell für Tanzveranstaltungen vorgesehenen Pavillon, der am nächsten Tag schon wieder für die nächste Veranstaltung geputzt und geschmückt wird.
Alles in allem offenbar eine typisch finnische Geschichte. Schon hier im Süden gibt es nun mal nicht alle 5 Kilometer ein Dorf. Oft wohnt der nächste Nachbar viele Kilometer entfernt. Da bringt ein bisschen Kultur eine willkommene Abwechslung ins Leben der Landfrauen.
Schon hier wird es erst spät dämmrig. So richtig dunkel wird es bei klarem Himmel, der uns selbstverständlich weiter begleitet, nicht mehr.
Freitag, der 17. Mai 2024
Frühstück militärisch pünktlich: 9.00 Uhr
Der Frühstückstisch gedeckt wie im Interhotel. Nur besser…an frischer Luft.
Die junge Frau, die gestern Abend erst spät nach Hause gefahren ist, weil sie offenbar nicht direkt hier wohnt, ist schon wieder da und bereitet das nächste Event vor. Wir verabschieden uns freundlich und bedanken uns brav für die spontane Gastfreundschaft. Selbstverständlich kommen wir wieder. Nur wann, können wir heute noch nicht sagen.
Frisch gestärkt folgen wir wieder der Kompassnadel… na wohin wohl? Richtung Norden. Gegen Mittag verlassen wir die asphaltierten Straßen und wechseln auf eine Schotterpiste. 60 km/h sind erlaubt. Mitten durch den Wald. Wolken? Fehlanzeige.
Trotz zum Teil überfluteter Flächen sind die Pisten staubtrocken im wahrsten Sinne des Wortes. Wir bedauern die wenigen am Wegrand wohnenden Leute, die den Staub bei jedem vorbeifahrenden Fahrzeug schlucken müssen. Zum Glück scheinen das nicht so viele zu sein. Das Herz des Offroadbegeisterten schlägt bei so viel Piste natürlich höher, denn für solche Strecken wurde der Trollexpress schließlich gebaut.
Andrea und Thomas waren sicher weniger begeistert, denn ein weißes Wohnmobil gewinnt durch eine dicke Staubschicht nicht gerade an Attraktivität.
Unser Troll trägt diese Patina mit einem gewissen Stolz und ich würde mir wünschen, dass diese bis nach Hause gut hält.
Vorbei am Hildenporti Kansallispuisto Nationalpark rollen wir weiter.
Dicke Schneereste links und rechts in den Straßengräben zeugen davon, dass der Winter erst vor wenige Tage von dannen gezogen ist. Eis auf fast allen Seen zeugt ebenfalls eindrücklich davon.
Dann sind wir da. Auf dem finnischen Campingplatz, schlechthin, der eigentlich keiner ist, wie wir ihn hier in unseren Breiten kennen.
Rezeption? Fehlanzeige! Stromanschluss? Fehlanzeige! Waschmaschine? Fehlanzeige! Fließendes Wasser? Im See!
Der Luxus besteht hier aus Natur pur!
Ein See fast für uns allein. Ein liebevoll dekoriertes Plumpsklo, eine Grillkota mit Feuerstelle, daneben zwei Hütten randvoll mit trockenem Feuerholz.
Eine Feuerstelle unter freiem Himmel.
Eine Infotafel über alles, was erlaubt ist.
Verbote? Keine gefunden!
Lediglich die Bitte, mit der Natur gut umzugehen.
Keine Frage. Deshalb sind wir hier und nicht in Malle.
Später stellt sich heraus, dass die Ranger vor Ort ein Feuer außerhalb der Grillkota nicht erlauben können. Trotz der teilweisen Überflutungen tieferliegender Gebiete durch die starke Schneeschmelze, ist die sonstige Gegend und der höher liegende Wald durch fehlenden Regen pulvertrocken. Obwohl ein Lagerfeuerchen immer schön wäre, respektieren wir die Ansage natürlich. Wir sind zu Gast hier und freuen uns über das, was wir zu sehen kriegen.
Also ist Lagerfeuer später.
Eine Wanderung rund um das Seengebiet zwischen Mantyjärvi und Peurajärvi bringt uns ins Schwitzen. Das Thermometer zeigt sage und schreibe 28 Grad Celsius. Weiterhin überall dicke Schneereste und ebenso dickes Eis auf den Seen.
So laufen wir rund 5 Kilometer fröhlich durch Finnlands Wälder, bis wir feststellen müssen: So richtig geht’s hier nicht weiter. Da gibt nur einen Weg. Über eine Brettersteg auf die andere Seite des Sees.
Das dumme daran: Der Brettersteg liegt durch das Hochwasser mal 10, mal 20 und auch mal 30 cm unter Wasser.
Der Mutigste von uns allen ist Odin. Sonst kein Freund von Wasser und schon gar nicht, wenn es kalt ist, geht er voran. Teilweise bis zum Hals in der dunklen Brühe, die mich an den Rio Negro in Brasiliens Amazonasgebiet erinnert. Einmal rutsch er sogar von der Strecke. Kein Problem! „Bin ich ein Expeditionshund oder Hustensaft?“ Einer nach dem anderen passiert die „Tiefwasserstrecke“ und…. Es scheint unwirklich. Das Wasser, auf dem noch auf weiten Flächen Eis schwimmt, ist nicht so kalt wie befürchtet. Mit Stolz, den Weg geschafft zu haben, lassen wir unsere Wanderschuhe leerlaufen.
Da musst Du in Deutschland 65 Jahre als werden, um dann in Finnland bis zu den Knien durch Eiswasser zu laufen.
Andere Länder- andere Sitten.
An diesem lauschigen Plätzchen hätte man gerne noch etwas länger verweilen sollen.
Angeln, „Wasserwandern“ oder einfach nur ausspannen.
Aber noch sind wir nicht im Skandinavien Modus.
Es treibt uns weiter. Als ob der zu Hause am Computer erdachte Zeitplan ein Gebetbuch wäre, nach dem die Rallye-Finnland abläuft.
Samstag, der 18. Mai 2024
"Kompanie" aufsitzen!
Motoren anlassen!
Himmel prüfen!
Blau! Sonne! Klar….wegen uns!
Auf zu neuen Horizonten!
Es riecht nach Norden und an jedem Tag fällt der Ballast des Alltages etwas mehr von uns ab. Odins Gelassenheit trägt sicher ein Stück weit dazu bei.
Schlafen kann er eigentlich zu jeder Tages-und Nachtzeit.
Währen der Fahrt vorzugsweise auf der Motorhaube zwischen Fahrer und Beifahrerin oder auf dem Sitz hinter Conny. Am allerliebsten platziert er sich aber so weit vorne, dass er mit dem Kopf auf dem Autoradio liegt und dessen Bedienung somit fast unmöglich macht. Bequem kann das nicht sein, aber er will halt so nah wie möglich am Geschehen sein. Trotz der teilweise hohen Außentemperaturen haben wir es im Fahrerhaus dank unserer nachgerüsteten Dachklimaanlage meist recht angenehm.
Das weiß auch Odin zu schätzen.
Als wir so dahin cruisen, fällt uns am Straßenrand eine äußerst sonderbare Anordnung hunderter Vogelscheuchen auf. Da scheint einem Bauern seine Ernte sehr wertvoll zu sein. Bei genauerem Hinsehen und Nachlesen müssen wir feststellen, dass es sich hierbei wohl nicht um Vogelscheuchen, sondern um ein Kunstwerk handelt.
Wir staunen nicht schlecht. Das ganz hat auch einen Namen: „Das stille Volk.“ Das Ganze wurde sogar 2021 mit einem Preis des finnischen Bildungsministerium ausgezeichnet.
Heiderdei!
Tut mir leid, aber außer, dass es ganz lustig war zwischen all den bunten Vogelscheuchen herumzulaufen und sich über die eine oder andere Kreation lustig zu machen, fehlte mir dabei jeder künstlerische Bezug.
Für mich kommt Kunst nach wie vor von Können.
Wenn´s jeder kann, hat es nichts mehr mit Kunst zu tun.
Das gleiche Problem hatte ich schon immer in der Schule.
Gedichtinterpretation! Ich stelle mir dabei den, sich vor Lachen krümmenden Dichter vor, der sich beim Schreiben seines Werkes niemals die Gedanken gemacht hat, die sich heute der hochprofessionelle Gedichtsinterpret darüber macht.
Das alles am Ende noch mit einer Schulnote zu versehen ist der Lacher des Jahrhunderts.
Was mir ebenfalls noch dazu einfällt ist Hape Kerkelings Gesangsdarbietung mit Wolf, Lamm und dem Hurtz. Aber lassen wir das. Ich als Kulturbanause ohne Hochschulstudium stehe da möglicherweise etwas abseits im finnischen Birkenwald.
Ach übrigens! Außer uns war zu dieser Stunde kein anderer Tourist vor Ort, um sich an der intellektuellen Substanz des Werkes zu ergötzen.
Ernüchtert zogen wir weiter und fanden einen Recht netten, eigentlich noch geschlossenen Campingplatz, dessen Attraktion für uns darin bestand, dass wir hier den ersten frei laufenden Rentiere begegnen durften.
Viel Restschnee passte mit der Erzählung einer Schwedin zusammen, die uns erklärte, dass der Winter bereits im letzten Oktober begonnen hatte und erst vor Kurzem so richtig zu Ende gegangen war.
Sonntag, der 19. Mai 2024
Gegen Mittag erreichten wir Kuusamo mit dem Hannun Jäljet Luontokuva-Keskus, was auch immer das heißt.
Bevor Ihr anfangt zu staunen. Ich kann kein Wort Finnisch.
Außer vielleicht Hyvää päivää, für guten Tag und hyvää matkaa, für gute Reise kann ich nicht mal die wichtigen Worte für: „Ich suche dringen eine Toilette!“
Diesen wichtigen Satz mit Google Übersetzer erst zu suchen, wenn es eilig ist, kann dazu führen, dass die Zeit bis zur Antwort zu knapp wird und man dann keine Toilette mehr braucht. Deshalb hier meine kleine Lebenshilfe;
es heißt: „Tarvitsen kiireesti wc:n“.
Wie es allerdings dialektfrei gesprochen wird, weiß ich auch wieder nicht.
Viel Glück also, dass ein Finne oder eine Finnin Euer Hochfinnisch im prekären Moment versteht.
Kommen wir aber zurück zu Kuusamo, welches wir aus Berichten über den Wintersport kennen. Es ist mir so, als ob schon Heinz Florian Oertel Kuusamo das eine oder andere Mal erwähnt hätte. Die idyllisch und wunderschön in den Bergen des finnischen Lapplandes gelegene, Stadt hat gut 15.000 Einwohner und ist mit über 200 Tagen Schnee im Jahr ein Paradies für Wintersportler und für alle die, die den Schnee als solches lieben.
Eigentlich durch puren Zufall erreichen wir am Nachmittag den Oulanka Nationalpark. Das war eigentlich gar nicht geplant. Obwohl auch hier noch Winterruhe herrscht, sind die Wanderwege des Parks frei zugänglich und irgendetwas scheint viele Besucher anzulocken.
Was es ist, bekommen wir erst am Ende unserer kleinen Bärenwanderung mit. Selbstverständlich oder vielleicht Gott sei Dank, ist uns auf diesem Trail kein einziger Bär begegnet.
Selbst der Hiidenlampi, eine recht grauselige Waldfigur, unserem heimischen Grüffelo ähnlich, war nicht anzutreffen. Selbst wenn, Odin hätte ihn, ohne zu zögern, in der Luft zerrissen. Schließlich haben wir ihn nicht umsonst, als er noch ganz klein war, in Tansania zur Löwenjagd ausbilden lassen.
Er lag dabei stundenlang wie tot in der Serengeti und erst als der Löwe den anscheinend leblosen Körper von oben betrachten wollte, biss er Ihm blitzschnell von unten die Kehle durch. Also Vorsicht! Odin ist zwar meistens freundlich, kann aber auch anders, wenn jemand seinem Rudel etwas zu Leide tun will.
Doch zurück zum Park. Wie schon erwähn, schien irgendeine Attraktion auf uns zu warten. Die vielen Leute waren nicht gekommen, um sich die Tannnennadeln des vergangenen Jahres anzuschauen. Die Lösung kündigte sich durch ohrenbetäubendes Getöse an. Der Fluss Oulankajoki führte auf Grund der starken Schneeschmelze beindruckendes Hochwasser.
Wenn ich es richtig deute, ist Kiutaköngäs der Name des Wasserfalles, durch den, speziell im Frühjahr, unglaubliche Mengen Wasser zu Tal stürzen und so ein unvergessliches Naturschauspiel abliefern. Zu nah an die steil abfallenden Felskanten zu gehen, verbietet die Vernunft. Odin mit seinem „Allradantrieb“ kennt auch hier wieder mal nichts. Er möchte alles am liebsten ganz aus der Nähe sehen. Wer hier jedoch abrutscht, hat sein letztes Morgenhäufchen abgelegt, um einmal in die Hundesprache zu wechseln. Auch ein beherzter Sprung von Herrchen oder Frauchen in die Schlucht, um Hundchen zu retten, hätte auch diesen nicht mehr als die Gewissheit gebracht, an vergangenen Abend das letzte Bier getrunken zu haben.
Trotz aller Gefahren…Alles in allem, war der Tag wieder einmal durch ein spontanes und damit besonderes Erlebnis geprägt.
Spontan anzuhalten, zu erkunden und genießen was einem jetzt und hier begegnet ist sowieso das beste Rezept für eine solche Tour. Das dürfen wir in den kommenden Wochen fast täglich neu lernen.
Der Tag schließt sich mit einem wunderschönen Stellplatz mitten in der Natur.
Kein anderer Camper. Nur pure Natur. Zwar nicht weit von der Straße entfernt, aber dort fuhren so wenige Autos, dass wir eine absolut ruhige Nacht verbringen konnten.
Montag, der 20. Mai 2024
Unser Frühstück an den Liftanlagen von Rukankylä ist einsam aber deshalb nicht weniger schön. Aus dem „Wohnzimmerfenster“ des Trolls sehen wir die, noch immer reichlich mit schneebedeckten Hügel.
Der Himmel ist heute wie jeden Morgen.....herrlich, langweilig blau,
Auf seiner Morgenrunde hat Odin ein herrliches Häufchen gemacht, was auch uns beiden schon jetzt am frühen Morgen Glück und Freude für den ganzen Tag verspricht. Wir haben somit nämlich eine Sorge weniger.
Hundebesitzer kennen diesen wichtigen Eckpunkt des Tagesablaufes.
War kein Häufchen, so lastet das auch auf Frauchen und Herrchen nämlich wie Blei.
Ist er oder sie etwa krank? Gar Darmverschluss?
Nicht auszudenken bei der geringen Dichte an Veterinären hier in dieser Gegend. Naja, wird schon nichts sein. Vielleicht geht es einem Hund wie seinem Menschen. Einfach am Vortag einfach zu wenig gegessen. Oder etwas, was stopft.
Dann wird´s am nächsten Tag schon funktionieren.
Frei nach dem Motto: Lirum, larum Löffelstiel.
Wer viel frist, der muss auch viel. Wir machen uns also alle drei unbeschwert auf die Piste.
Auf dem Weg zum Weihnachtsmann
Bis nach Rovaniemi ist es schließlich noch ein Stückchen.
Gegen 13.00 Uhr ist es dann so weit.
Ohne Rovaniemi zu durchfahren, sehen wir vor uns Nappariiri, das Dorf des Weihnachtsmannes.
Hier verläuft der Polarkreis. Nicht umsonst hat der Alte hier seinen Firmensitz gegründet.
Zum einen sind die Hebesätze der Gewerbesteuer hier mit 360 % gegenüber Hörselberg-Hainich noch recht günstig. Außerdem gibt es hier Steuervergünstigungen für E-Autos und Rentierschlitten, vorausgesetzt sie erfüllen Euro 7 und die Gegend ist ausreichend schneesicher, was ja für die besagte weihnachtliche Stimmung nicht gerade unerheblich ist.
Zugegebenermaßen eindeutige Standortvorteile gegenüber Kälberfeld.
Die Story mit dem Nordpol hätte ihm seit Eratosthenes vor 2260 Jahren sowieso keiner mehr abgenommen. Dieser hatte schon damals, noch im alten Griechenland herausgekriegt, dass die Erde keine Scheibe ist.
Schlaues Bürschchen, denn von Google kann er’s ja damals noch nicht gehabt haben.
Also auf ins weihnachtliche Getümmel, mitten im Frühling.
Getümmel? Wir waren auf einem riesigen Parkplatz fast allein mit etwa 10 anderen Wohnmobilen.
Die Souvenirläden leer.
Die Rentiere auf der Sommerweide im Norden.
Die Schneemannausstellung - geschmolzen!
Der Weihnachtsmann offenbar im Jahresurlaub auf Malle.
What´n Kack.
Wenigstens Weihnachtmusik überall.
Das höre ich gerne. Das fetzt doch.
Und die weihnachtlichen Souvenirs…?
Bei genauem Hinsehen leider nichts aus finnischer Produktion.
Auch nicht „Handmade from the Wichtels“!
Nein! Made in China!?
Naja auch Mercedes lässt seine Steuergeräte selbst für die S-Klasse heutzutage dort fertigen!
Nun pisst Euch nicht ein! Die Autos laufen auch… meistens jedenfalls.
Und Mercedes vertreibt neuerdings ja auch Hyundai in seine Niederlassungen.
Das hätte dem alten Benz vor 100 Jahren mal einer erzählen sollen.
Der hätte nach Weihnachtsmannart den Knüppel tanzen lassen.
Wo ist heute das Problem?
Naja, abhängig werden dürfen wir nicht werden, von den Chinesen!
Wie?
Sind wir schon?
Nonsens!
Thüringer Bratwurst kommt immer noch aus Thüringen.
Und wer anderes behauptet, der lügt!
So nun wollen wir alle aber endlich auf den Strich gehen!
Wen treffen wir auf dem Strich, der den Polarkreis darstellt?
Welche aus Jena, welche aus Halle und welche aus Erfurt,
drei aus Kälberfeld und….. zwei aus Sättelstädt.
Ganz am Ende kommen noch zwei Ösis dazu, um das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet (NSW) im allerletzten Moment noch zu repräsentieren.
Nun stellt Euch mal vor, es ruft einer: „Ossis raus!“
Da hätten die Ösis aber schön allein dagestanden.
Macht ja dann auch keinen Spaß.
Auch wenn’s auf dem Hof vom Weihnachtsmann ist.
Zum Mittag schlagen wir uns jedenfalls die Bäuche in Weihnachtsmanns Kantine so richtig voll.
Finnische Hausmannskost. Gebratene Renntiere und all so was.
Ich bete zu Gott, dass es hoffentlich nicht Comet oder gar Rudolf mit der roten Nase war.
Trinken ist wie überall im Norden teuer, nehmen wir nicht.
Geschmolzener Schnee liegt schließlich überall kostenlos rum.
Ohne zahllose Karten an die armen Daheimgebliebenen zu schreiben,
gehen wir hier nicht weg. Santa hat eigens dafür ein Postamt.
Für Karten, und Briefmarken und ein paar zusätzliche Souvenirs löhnen wir schließlich satte 100 €.
Na besser als das Geld zu versaufen!
Was soll der Geiz. Wir sind schließlich nicht jede Woche hier.
Am Ende muss es noch ein Foto vor dem Haupteingang des Weihnachtsmanndorfes sein.
Mit dem Trollexpress natürlich!
Da hat schon mein Freund Uwe auf einer seiner zahlreichen Touren mit dem W50 im Winter gestanden.
Das müssen wir auch haben. Am Ende zweifelt er sonst noch an, dass wir hier waren.
Und wenn Ihr jetzt glaubt, dass ich mich über den Weihnachtsmann und sein Dorf lustig gemacht habe? Weit gefehlt! Ich bin nämlich wirklich Weihnachtsfan.
Und wir werden wiederkommen. Vielleicht mal im Winter, wenn´s so richtig weihnachtlich aussieht.
Getreu dem Motto des Polarexpresses, von dem der Trollexpress schließlich seinen Namen gemaust hat, hört nur der das Weihnachtsglöckchen, der wirklich glauben kann… an den Weihnachtsmann…an die Weihnachtsgeschichte und an das Gute in den Menschen im Allgemeinen.
Mit diesen Gedanken sind wir fast schon wieder auf der Tour,
denn es geht auch heute weiter:
Von Santas zu Hause immer Richtung Norden.
Bleibt dran.
Erst jetzt wird es so richtig interessant:
Von Helsinki immer Richtung Norden.